Bandscheibenvorfall: Wie kann ich vorbeugen? Was tun, wenn es passiert ist?

Ein Bandscheibenvorfall kann heftige Schmerzen verursachen. Welche Symptome und Ursachen ein Bandscheibenprolaps haben kann und welche Therapieformen es gibt, erfährst du in diesem Artikel.

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Medizinisch geprüft von Orthopäde Dr. Markus Wurster

Inhaltsverzeichnis:

Wie erkenne ich, ob ich einen Bandscheibenvorfall habe?

Bandscheibenvorfälle können sich unterschiedlich äußern. Bei manchen Patienten macht sich ein Bandscheibenprolaps in Form von Symptomen wie Kribbeln in Armen oder Beinen, Schmerzen und Taubheitsgefühlen oder sogar Lähmungen in den Extremitäten bemerkbar. Diese Symptome deuten meist darauf hin, dass die verrutschte Bandscheibe gegen einzelne Nervenwurzeln, das Nervenfaserbündel in der Lendenwirbelsäule (Cauda equina = Pferdeschweif) oder das Rückenmark drückt.

Welche Symptome bei Druck auf eine Nervenwurzel auftreten, hängt ganz davon ab, ob die betroffene Nervenwurzel im Bereich der Lenden-, Brust- oder Halswirbelsäule sitzt.

Doch nicht jeder Bandscheibenvorfall löst Lähmungen oder Schmerzen aus. Nicht selten wird ein Bandscheibenvorfall sogar nur durch Zufall im Rahmen einer Untersuchung entdeckt.

Wo machen sich die Schmerzen bei einem Bandscheibenvorfall bemerkbar?

Bandscheibenvorfall – Lendenwirbelsäule:

Häufig gehen die Symptome eines Bandscheibenvorfalls von der Lendenwirbelsäule aus, da hier das eigene Körpergewicht besonders viel Druck auf die Wirbel und Bandscheiben ausübt. Experten sprechen in diesem Fall von einem lumbalen Bandscheibenvorfall. Symptome entstehen am häufigsten durch Bandscheibenvorfälle zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel (L4/L5) oder dem 5. Lendenwirbel und dem 1. Steißbeinwirbel (L5/S1).

Dr. Wurster: „Der untere Rücken ist von Bandscheibenproblemen sehr häufig betroffen. Anatomisch haben wir hier im Segment L5/S1 die Verbindung von flexibler Wirbelsäule und starrem Becken, was biomechanisch zu einer hohen lokalen Beanspruchung führt. Hinzu kommen chronischer Bewegungsmangel, mit daraus resultierender Ernährungsstörung der Bandscheiben, und muskulären Verkürzungen, welche den Druck auf die Bandscheiben nochmals erhöhen. Das Ergebnis sind Bandscheibenvorwölbungen oder sogar Vorfälle.“

Der Druck auf Nervenwurzeln im Bereich der Lendenwirbelsäule kann heftige Schmerzen im unteren Rückenbereich auslösen, die sogar bis in die Beine ausstrahlen können. Darüber hinaus kann es auch zu neurologischen Ausfällen wie beispielsweise Kribbeln oder Taubheitsgefühle oder sogar Lähmungen in diesem Bereich kommen.

Wird der Ischiasnerv (Nervus ischiadicus) von dem lumbalen Bandscheibenvorfall betroffen, kann das besonders unangenehm werden. Dieser Nerv ist mit eineinhalb Zentimeter Querschnitt der dickste Nerv des Körpers. Der Ischiasnerv setzt sich aus den vierten und fünften Nervenwurzeln der Lendenwirbelsäule und den beiden ersten Nervenwurzeln des Kreuzbeins zusammen. Betroffene beschreiben die Schmerzen in einem solchen Fall häufig als einschießend oder elektrisierend. Die Schmerzen können vom Gesäß über die Rückseite des Oberschenkels bis hinunter in den Fuß ausstrahlen und können oft durch Husten, Niesen oder bei Bewegung heftiger werden. Experten sprechen bei diesem Beschwerdebild von Ischialgie.

Dr. Wurster: „So lange der Schmerz im Vordergrund steht ist es für den Patienten zwar sehr unangenehm, aber meist noch nicht gefährlich. Problematisch wird es bei motorischen Ausfällen. Das Conus-Cauda-Syndrom stellt einen absoluten Notfall dar und muss umgehend behandelt werden, um dauerhafte Schäden abzuwenden.“

Bandscheibenvorfall – Halswirbelsäule:

Ein Bandscheibenvorfall kann auch im Halswirbelbereich (zervikaler Bandscheibenvorfall oder Bandscheibenvorfall HWS) entstehen. In diesem Fall ist meist die Bandscheibe zwischen dem 5. und 6. (HWK 5/6) oder dem 6. und 7. Halswirbelkörper (HWK 6/7) betroffen.

Symptome bei einem Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelsäule können sich in Form von in die Arme ausstrahlenden Schmerzen äußern. Weitere mögliche Symptome können Missempfindungen (Parästhesien) und Ausfallerscheinungen (Muskellähmungen) im Ausbreitungsgebiet der betroffenen Nervenwurzel sein

Bandscheibenvorfall – Brustwirbelsäule:

Bandscheibenvorfälle an der Brustwirbelsäule sind eher selten, aber es gibt sie. In diesen Fällen sprechen Experten von einem thorakalen Bandscheibenvorfall oder Bandscheibenvorfall BWS. Mögliche Symptome können Rückenschmerzen sein, die meist im betroffenen Wirbelsäulenabschnitt auftreten. In seltenen Fällen können die Schmerzen auch ins Versorgungsgebiet des komprimierten Nervs ausstrahlen.

Wie erfolgt die Diagnose?

Bei unklaren Rückenschmerzen sollte zunächst die Hausärztin oder der Hausarzt aufgesucht werden. Diese/r überweist die/den Patient:in bei Verdacht an einen Facharzt wie einem/einer Neurologe:in, Neurochirurg:in oder Orthopäde:in.

In einem Anamnese-Gespräch mit dem/der Patient:in klärt die Ärztin oder der Arzt die individuelle Krankengeschichte mit Fragen wie:

Mithilfe der Antworten kann die Ärztin oder der Arzt die Ursache der Beschwerden näher eingrenzen und womöglich einschätzen, von welcher Stelle der Wirbelsäule sie möglicherweise ausgehen.

Im Anschluss erfolgen körperliche und neurologische Untersuchungen. Mithilfe von Druck-, Klopf- und Tastuntersuchungen im Bereich der Rückenmuskulatur und der Wirbelsäule untersucht die Ärztin oder der Arzt den/die Patient:in nach Auffälligkeiten sowie Schmerzpunkten. Zudem wird der Bewegungsumfang der Wirbelsäule, die Muskelkraft, Gefühle in Armen oder Beinen sowie die Reflexe untersucht.

Mithilfe einer Computertomografie (CT) sowie eine Magnetresonanztomografie (MRT) kann ein Bandscheibenvorfall sichtbar gemacht und das Ausmaß des Bandscheibenvorfalls präzisiert werden.

Dr. Wurster: „Zum Nachweis eines Bandscheibenvorfalls ist heute das MRT oder Kernspintomogramm das Mittel der Wahl. Erfreulicherweise gibt es zwischenzeitlich auch „offene Tomographen“, wobei die Bilder im Sitzen erstellt werden und sich der Patient damit die „enge Röhre“ erspart.“

Wie sieht die Therapie bei einem Bandscheibenvorfall aus?

Was kann man bei einem Bandscheibenvorfall tun? Die Antwort auf diese Frage hängt in erster Linie von den Symptomen ab. Bei den meisten Patient:innen genügt eine sogenannte konservative Therapie, also eine Behandlung ohne Operation.

Dies empfiehlt sich vor allem dann, wenn durch den Bandscheibenvorfall Schmerzen oder eine leichte Muskelschwäche verursacht werden, aber sich keine schwerwiegenderen Symptome wie Lähmungen oder Störungen des Blasen- oder Enddarmapparats bemerkbar machen. Andernfalls wird meist operiert. Ein chirurgischer Eingriff wird auch bei langanhaltenden Beschwerden trotz konservativer Behandlung in Betracht gezogen.

Unser Orthopädie-Experte Dr. Markus Wurster sagt dazu:

„Die Lendenwirbelsäule ist ca. doppelt so häufig vom Bandscheibenvorfall oder einer Bandscheibenvorwölbung betroffen als die Halswirbelsäule. 30 % der Gesamtbevölkerung haben im Laufe Ihres Lebens mit Bandscheibenproblemen zu tun, die Ursachen dafür sind vielfältig. Dementsprechend sind es die therapeutischen Möglichkeiten auch: Sofern kein Notfall mit drohender Schädigung von Rückenmark oder Nervenstrukturen (selten) vorliegt, kommt die breite Palette der konservativen Therapie zum Tragen.

Neben der Übungsbehandlung und der klassischen Schmerztherapie sind verhaltenstherapeutische Empfehlungen von enormer Wichtigkeit. Vielfach kommen wirbelsäulennahe Injektionen in der Akutphase zum Einsatz, um eine rasche Schmerzbekämpfung zu erzielen. Der Verlauf der Erkrankung ist meist günstig, die Behandlungsdauer jedoch relativ lang (im Durchschnitt drei bis sechs Monate). Nur in wenigen Fällen (unter 10 %) ist eine Bandscheibenoperation notwendig.“

Mehr Infos zu orthopädischen Themen findest du auf seiner Website.

Wie kann ich im Alltag einem Bandscheibenvorfall vorbeugen?

Eine gesunde, starke Rumpfmuskulatur ist das A und O. Maßnahmen, um einem Bandscheibenvorfall vorzubeugen sind unter anderen:

Drei Übungen für den Alltag, um die Bandscheiben zu entlasten

1. Beckenbodenmuskulatur anspannen

So geht’s:

2. Unterbauch einziehen

So geht’s:

3. Beckenboden anspannen

So geht’s:

Dr. Markus Wurster
HIER SCHREIBT Dr. Markus Wurster

Dr. Markus Wurster ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und arbeitete an mehreren renommierten Kliniken in München und Umgebung. Nach 20 Jahren chirurgischer Tätigkeit, zuletzt in leitender Funktion, ist er mittlerweile in eigener Praxis in München niedergelassen. Als Notarzt begleitete er mehrjährig die Schwalbe Tour Transalp im Rescue Team und betreute 2014 die BR Aktivkreuzfahrt. Zudem sammelte er umfangreiche sportmedizinische Kenntnisse durch seine Mitarbeit in der Schönklinik München (Olympiastützpunkt und FIFA Medical Center).

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