Brainhacking: Wie ein Personal Trainer für dein Gehirn

Für den perfekten Körper gehen viele Menschen sehr weit – ins Fitnessstudio zum Beispiel. Dort schwitzen und schinden sie sich regelmäßig und beobachten stolz ihre Fortschritte. Wäre es doch so einfach, das Gehirn auf diese Weise zu trainieren. Mit Neurofeedback bietet ein Start-up aus München genau das: Fitness fürs Gehirn.

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Inhalt des Ratgebers

Für die Karriere alles geben, Ziele ehrgeizig verfolgen und dabei einen kühlen Kopf bewahren – den wenigsten gelingt dieser Spagat. Stattdessen werden immer mehr Menschen Opfer der Always-on-Gesellschaft, leiden an Stress, Depressionen oder Burnout.

Um nicht regelmäßig an den Rand des Nervenzusammenbruchs zu geraten, hast du zwei Möglichkeiten: Entweder schaffst du es, deinen Job zurückzufahren und deine Batterie öfter aufzuladen. Oder du schickst dein Gehirn regelmäßig ins Fitnessstudio, um die Arbeit konzentrierter und gelassener anzugehen.

Fitnessprogramm fürs Gehirn

Der Name des Fitnessprogramms lautet Neurofeedback. „better brain. better life.“ verspricht der Slogan des Start-ups brainboost, das Neurofeedback für medizinische und nicht-medizinische Anwendungen anbietet. Um dieses Versprechen einzulösen, verfolgt das Unternehmen aus München das Ziel, mittels Neurotechnologie die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit seiner Patienten zu steigern.

„Du trainierst dein Gehirn, wie du einen Muskel im Fitnessstudio trainierst.“

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Doch was ist Neurofeedback? „Du trainierst dein Gehirn, wie du einen Muskel im Fitnessstudio trainierst. Aber statt immer wieder Gewichte zu stemmen, versuchen unsere Kunden, wiederholt einen Zustand von Konzentration oder Entspannung zu erreichen“, beschreibt Philipp Heiler das Konzept.

Der approbierte Arzt ist Experte für Neurofeedback und hat mit seinem Bruder Tobias Heiler die Praxis für Neurofeedback Philipp Heiler in München gegründet. Dort bieten sie Neurofeedback als Therapie an. Patienten, die sich hier behandeln lassen, leiden zum Beispiel an ADHS, ADS, Burnout, Depressionen oder Schlafstörungen.

Mentale Fitness für jedermann

Mit brainboost geht Neurofeedback aber noch einen Schritt weiter: „Wir haben bereits verfügbare Neurotechnologie verbessert und von der medizinischen Behandlung losgelöst. Dafür haben wir brainboost gegründet“, erklärt Philipp. Das Start-up bezeichnet er als Hybrid aus Praxis und Unternehmen. 

brainboost setzt Neurofeedback als Mentaltraining im Peak-Performance-Bereich ein. Führungskräfte, Unternehmensberater, Sportler und sogar E-Sports-Gamer können damit ihre Konzentration steigern, Stress abbauen, ihren Schlaf verbessern und ihre Entspannungsfähigkeit verbessern. 

Doch nicht nur Spitzensportler und Gründer profitieren davon: Als Mittel zur Regulierung von Stress oder bei Schlafstörungen kann die Methode jedem das Leben leichter machen – auch ohne medizinische Indikation. Ein Lifehack für das Gehirn.

Die Technologie hinter dem Brainhacking

Obwohl Neurofeedback fast zu schön klingt, um wahr zu sein, ist das Konzept wissenschaftlich fundiert: „Es gibt unbewusste Abläufe im Körper, die wir ohne weiteres nicht selber wahrnehmen können. Die Aktivität im Gehirn gehört dazu. Neurofeedback ist die technische Möglichkeit, diese Vorgänge sichtbar zu machen und zu lernen, sie wahrzunehmen und zu kontrollieren“, erklärt Philipp.

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Neurofeedback ist eine Trainingsmethode, mit der das Gehirn lernt, unbewusste Prozesse selbst zu regulieren.

Um diesen Abläufen auf den Grund zu gehen, nutzt Neurofeedback das EEG – also die Messung der elektrischen Aktivität des Gehirns. So lässt sich unter anderem feststellen, ob das Gehirn gerade entspannt ist. brainboost visualisiert Aktivitätsmuster im Gehirn und meldet dem Trainierenden verständlich und in Echtzeit, in welchem Zustand sein Gehirn sich gerade befindet.

„Eine mögliche Visualisierung kann ein einfacher Kreis auf dem Bildschirm sein“, nennt Philipp ein Beispiel. „Ist das Gehirn entspannt, wird der Kreis größer. Nimmt die Entspannung des Gehirns ab, wird der Kreis kleiner.“ Eine andere Art der Visualisierung ist ein meditierender Buddha, den die Trainierenden schweben lassen können – allein mit ihren Gehirnaktivitäten.

Es geht allerdings nicht darum, zu verstehen, dass man sich entspannen muss, um den Kreis größer werden zu lassen. „Die Idee ist vielmehr, die Selbstwahrnehmung zu schulen und dem Gehirn beizubringen, seine Funktionsweise nach und nach zu verändern und angemessen mit Situationen umzugehen“, sagt Philipp. Mit regelmäßigem Neurofeedback-Training entsteht ein Automatismus, der das Gehirn in den gewünschten Zustand versetzt. „Ziel ist es, Fähigkeiten oder Empfindungen des Gehirns, wie Konzentration, Entspannung oder Stresswiderstand, besser wahrzunehmen und zu kontrollieren“, fasst der brainboost-Gründer zusammen.

5 Fragen zum Neurofeedback-Training

  • Wie lange dauert eine Trainingseinheit? Insgesamt 60 Minuten. Das eigentliche Training nimmt 40 Minuten ein, die restlichen 20 Minuten dienen dem entspannten Ankommen und der Vor- und Nachbesprechung.
  • Wie viele Trainings brauche ich? Je nach Trainingsziel treten nachhaltige Effekte nach 15 bis 20 Sitzungen auf. Im Schnitt führen Trainierende 30 Trainings durch. Die Entscheidung, wie viele Trainings nötig sind, wird ganz individuell getroffen.
  • Wie regelmäßig finden die Trainings statt? brainboost empfiehlt, in den ersten zwei bis vier Wochen zweimal wöchentlich zu trainieren. Danach reicht ein Mal pro Woche.
  • Was kostet eine Sitzung? Der Preis für eine Sitzung mit individueller Betreuung liegt bei 89 Euro.
  • Übernimmt meine Krankenversicherung die Kosten? Bei einer medizinischen Indikation werden die Kosten von privaten Krankenversicherungen übernommen.

Neurofeedback im Alltag – das funktioniert

Wie hoch ist die Alltagstauglichkeit von Neurofeedback? Sehr hoch, meint der brainboost-Gründer: „Neurofeedback lässt sich genauso einfach in den Alltag integrieren wie der Gang ins Fitnessstudio. Beides bringt kurzfristige Effekte.“ Mit Virtual Reality bekommt der Patient während der Sitzung Rückmeldung in typischen Situationen aus seinem Alltag: etwa im virtuellen Klassenzimmer, Hörsaal oder Konferenzraum.

Als Beispiel für einen Prozess, der davon profitieren kann, nennt Philipp den Wechsel von einer konzeptionellen zu einer operativen Aufgabe im Tagesablauf. „Aus neurologischer Sicht ist das eine völlig andere Anforderung. Wie der Wechsel zwischen Kraft- und Ausdauertraining im Fitnessstudio.“ Neurofeedback optimiert den Übergang zwischen unterschiedlichen Aufgaben. Manager lernen, ihren Tagesablauf anders einzuteilen und zum passenden Zeitpunkt Aufgaben anzugehen, die besser zu ihrem aktuellen „Neuro-State“ passen.

Beispiel für eine Neurofeedback-Übung:

Ein Manager bearbeitet von der brainboost-Praxis aus seine E-Mails, so wie er es im Büro tun würde. Oben rechts am Bildschirm ist ein kleiner blauer Kringel eingeblendet. Dieser färbt sich rot, wenn der Trainierende abgelenkt ist. Er sieht den roten Kringel, unterbricht seine Arbeit und konzentriert sich darauf, den Kringel wieder blau zu färben – allein mit seiner Gehirnaktivität. Gelingt ihm das zehn Sekunden lang, kann er sich wieder seiner Arbeit widmen und den konzentrierten Zustand beizubehalten. Um die Übung herausfordernder zu machen, kann der Kringel sensibler eingestellt werden, sodass er sich schneller rot färbt.

Um Neurofeedback alltagstauglich zu gestalten, vermeidet brainboost den Technik-Overkill. Beim Training kommt nur eine schlanke EEG-Kappe mit sechs Elektroden zum Einsatz. Auf lange Sicht sollen Anwender den Effekt aber ohne Technik selbst erzeugen. Um im Fitnessbild zu bleiben: „Wir bauen Fitnessstudios fürs Gehirn und bieten Neurofeedback als Dienstleistung.“ Das Training befähigt das Gehirn, Prozessoptimierung zu betreiben. So kann es auch „ohne Geräte“ trainieren.

Das Training nutzt die gleiche Technik wie die Messung. So lassen sich bereits von der ersten Stunde an Schlussfolgerungen ableiten. „Wir geben den Leuten damit etwas an die Hand, das sie unabhängig von Neurofeedback nutzen können“, erklärt Philipp. Um einen stärkeren Effekt zu erzielen, lohnt es sich, das Training über einen gewissen Zeitraum von zum Beispiel drei Monaten regelmäßig durchzuführen. Wie das Training dann konkret aussieht, ist sehr individuell, genau wie ein Trainingsplan mit einem Personal Trainer.

Stigmata loswerden

Philipps Wunsch für die Zukunft? „Mentale Fitness und Neurofeedback als wichtiges Tool sollte den gleichen Stellenwert haben wie körperliche Fitness. Und zwar in der Gesellschaft, aber auch in der Wahrnehmung von Unternehmen.“

Neurofeedback soll deshalb aber nicht im Bewerbungsprozess dazu dienen, Kandidaten auszusieben. „Das wichtigste ist Entstigmatisierung“, betont Philipp. „Niemand muss sich für sein Gehirn schämen. Es geht nicht darum, Schwächen aufzudecken, sondern Stärken zu finden und zu fördern.“

Ist Neurofeedback etwas für dich? Die Antwort ist klar: „Wer einen kognitiv anstrengenden Job hat, viele Entscheidungen treffen muss, lange konzentriert oder kreativ arbeiten muss oder häufig zwischen solchen Aufgaben hin und her wechseln muss, kann von Neurofeedback profitieren“, meint der brainboost-Gründer.

Sabrina Quente
HIER SCHREIBT Sabrina Quente

Sabrina ist freie Autorin für Versicherungs- und Digitalisierungsthemen. Sie war Redakteurin bei Fachzeitschriften und lernte als Content Editor bei ottonova die vielen Facetten der Versicherungswelt kennen.

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