Organspende Debatte: Mein Körper, meine Entscheidung

Hast du dir schon überlegt, ob du deine Organe oder dein Gewebe kranken Menschen zur Verfügung stellen würdest? Wenn nicht, wird es höchste Zeit. Wir verraten dir, warum du dich in jedem Fall mit dem sensiblen Thema Organspende auseinandersetzen solltest – selbst, wenn du dich gegen eine Entnahme entscheidest.

Du bist jung und gesund, gibst im Job jeden Tag alles und genießt dein Leben in vollen Zügen. Das Thema Organspende findest du wichtig, aber äußerst unangenehm. Einen Organspendeausweis besitzt du nicht – wer will sich schon freiwillig mit dem eigenen Tod befassen?!

Na, haben wir dich ertappt? So wie dir geht es vielen Menschen: Obwohl eine große Mehrheit der Deutschen der Organspende grundsätzlich positiv gegenübersteht, besitzt nur rund ein Drittel einen Organspendeausweis. Dabei handelt es sich um ein Dokument im Scheckkartenformat, auf dem du deine Willenserklärung für den Todesfall angibst: Möchtest du lebensrettende Organe und Gewebe an kranke Menschen spenden? Wenn ja, welche? Welche nicht? Und, was viele nicht wissen: Du kannst auf dem Organspendeausweis einer Entnahme auch ausdrücklich widersprechen oder einen Bevollmächtigten bestimmen, der im Falle deines Hirntods diese Entscheidung für dich trifft.

Auch wenn es vielleicht etwas Überwindung kostet: Du solltest dich rechtzeitig mit dem Thema Organspende auseinandersetzen, dadurch kannst du viel Leid ersparen – und zwar deiner Familie. Wenn du zu Lebzeiten festlegst, ob du Organspender werden möchtest, wissen deine Hinterbliebenen im Fall der Fälle genau, was zu tun ist. Eine große Erleichterung in schweren Stunden!

Organspende in Deutschland: Der Stand der Dinge

Nur circa 35% sind Besitzer eines Organspendeausweises, was vielleicht unter anderem auch mit den Skandalen rund um die Vergabe von Organen der letzten Jahre zu erklären ist. Und so fehlen jedes Jahr lebenswichtige Organe. In Deutschland werden weniger Organe transplantiert als im Rest Europas. Nur rund 933 gespendete und transplantierte Organe waren es 2018. Mehr als 10.000 Patienten stehen aber auf Wartelisten für eine Spenderorgan.

Die gesetzlichen Grundlagen zu den sensiblen Themen Organspende und Organtransplantation sind im Transplantationsgesetz klar geregelt. Derzeit gilt bei uns die sogenannte Entscheidungslösung. Das bedeutet, dass einem Verstorbenen nur dann Organe entnommen werden dürfen, wenn dieser zu Lebzeiten zugestimmt hat. Hat er dies nicht getan oder ist seine Entscheidung unklar, werden die Verwandten nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen gefragt: Hat sich der Tote zu Lebzeiten dazu geäußert, ob er seine Organe spenden möchte? Ist auch dieser mutmaßliche Wille nicht bekannt, soll der nächste Angehörige entscheiden, was im Sinne des Verstorbenen wäre: Organe entnehmen oder nicht?

Um deinen Lieben diese Last von den Schultern zu nehmen, solltest du selbst beizeiten festlegen, wie mit deinem Körper nach dem Eintreten des Hirntods umzugehen ist. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten: Du kannst den Organspendeausweis ausfüllen, den du zum Beispiel auf der Webseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung downloaden oder bestellen kannst.


PKV vs. GKV

Wie das deutsche Gesundheitssystem aufgebaut ist.


Die Debatte Organspende und die aktuelle Gesetzeslage

In der Theorie ist eine Mehrheit für die Organspende. Das klingt logisch, denn sie rettet jedes Jahr sehr viele Leben. Schaut man sich die Realität etwas genauer an, so hapert es an der Praxis. Sehr viel weniger Menschen, die angeben für die Organspende zu sein, haben auch tatsächlich einen Organspendeausweis.

Rein sachlich gesehen: Die Spenderbereitschaft zu steigern ist also ein ernstzunehmendes Thema.

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Kein Wunder also, dass das Thema Organspende in Deutschland immer wieder heftig diskutiert wird. Im Januar 2020 gab es dazu eine Entscheidung im Bundestag: Gesundheitsminister Jens Spahn hatte sich für die sogenannte Widerspruchslösung eingesetzt. Damit wäre jeder Bundesbürger automatisch ein potenzieller Organspender gewesen, sofern er nicht zu Lebzeiten der Organ- bzw. Gewebeentnahme widersprochen hätte. Diese Form der gesetzlichen Regelung gilt bereits in vielen europäischen Ländern, zum Beispiel in Frankreich, Italien und Österreich.

Doch dazu kam es nicht: Die Widerspruchslösung fiel bei der Abstimmung im Bundestag durch. Stattdessen votierte die Mehrheit der Abgeordneten für die sogenannte erweiterte Entscheidungslösung. Diese sieht vor, dass alle Deutschen regelmäßig zu ihrer Spendenbereitschaft befragt werden sollen, zum Beispiel bei Arztbesuchen oder auf Ämtern, etwa beim Abholen des Personalausweises. Das bedeutet: Mindestens alle zehn Jahre müssen wir uns nun mit dem Thema Organspende auseinandersetzen. Alle Freiwilligen werden dann ab 2022 in ein bundesweites Online-Register eingetragen.

Schon gewusst?

Du triffst hier keine Entscheidung auf Lebenszeit, sondern kannst deine Meinung zur Organspende jederzeit ändern. Alternativ kannst du einen entsprechenden Hinweis in deine Patientenverfügung aufnehmen oder deine Entscheidung einfach formlos notieren. Wichtig ist nur, dass deine Erklärung eindeutig und im Bedarfsfall schnell auffindbar ist – nur so kannst du sichergehen, dass beispielsweise nach einem schweren Verkehrsunfall auch wirklich gemäß deinen Wünschen gehandelt wird.

Wenn du noch keine schriftliche Patientenverfügung hast, solltest du dich auch darum rechtzeitig kümmern. Denn durch dieses Dokument regelst du vorsorglich, welche medizinischen Maßnahmen ergriffen oder unterlassen werden sollen, wenn du einmal in die Lage kommen solltest, dies nicht mehr selbst entscheiden zu können. Vorlagen und Textbausteine findest du zum Beispiel auf der Webseite des Bundesgesundheitsministeriums.

Organspende: Pro & Contra

Egal ob Entscheidungslösung, Zustimmungslösung oder Widerspruchslösung: Sich zu Lebzeiten mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen, ist wichtig. Denn nur du allein solltest bestimmen, ob deinem Körper nach deinem Tod Organe wie Niere, Leber oder Herz entnommen werden dürfen.

Um dir deine Entscheidung etwas zu erleichtern, haben wir Argumente für und gegen eine Organspende in einem kleinen Pro und Contra zusammengefasst. Fakt ist: Die Organspende ist in Deutschland durch einen aufsehenerregenden Skandal Anfang der 2010er-Jahre in Verruf geraten. Ärzte sollen in mehreren Transplantationszentren Krankenakten gefälscht haben, um Patienten bevorzugt mit Spenderorganen zu versorgen. Nachdem diese Richtlinienverstöße aufgedeckt wurden, ging die Zahl der Organspender in Deutschland deutlich zurück. Viele Menschen begannen zu zweifeln: Wird wirklich alles getan, um mein Leben zu retten, wenn man weiß, dass ich Organspender bin? Können sich Wohlhabende Spenderorgane kaufen?

Schon gewusst?

Fakt ist aber auch: Derzeit stehen hierzulande etwa 9.500 Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Wenn du dich für eine Einwilligung zur Organentnahme entscheidest, kannst du jemandem nach deinem Tod das Leben retten. Zum Vergleich: Weil bisher so wenige Menschen offiziell der Organspende zugestimmt haben, dauert es in Deutschland im Schnitt über acht Jahre, bis ein Patient eine Spenderleber bekommt. Wie du dir vorstellen kannst, ist das für viele schwerkranke Menschen zu spät. In Spanien, wo die Widerspruchslösung gilt, warten Kranke weniger als ein Jahr auf eine neue Leber.

Organspendeausweis – Ja oder Nein?

Wir leben glücklicherweise in einer Gesellschaft, in der das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper einen hohen Stellenwert genießt. Wieso sollte man die Entscheidung über die Organe anderen überlassen? Oder die Entscheidung im Falle des Hirntodes den Angehörigen aufbürden?

Sich mit dem Tod nahestehender Personen oder gar dem eigenen Tod auseinandersetzen, ist schwierig. Ob Organspende richtig oder falsch ist, darf hierzulande jeder für sich selbst entscheiden. Wichtig ist, darüber nachzudenken. Denn Organspende kann Leben retten! Jede Seite hat ihre ganz persönlichen schlagenden Argumente.

Ein Organspendeausweis macht dich nicht automatisch zum Spender. Du kannst mit der gesetzlichen Entscheidungslösung auf dem Organspendeausweis ganz einfach angeben, dass du keine Organe spenden möchtest. Die Entscheidung liegt ganz in deiner Hand. Und ist mit dem Organspendeausweis schwarz auf orange dokumentiert. Außerdem kannst du deine Entscheidung jederzeit ändern, wenn du zu einer anderen Bewertung kommen solltest.


Basic Facts: Organspendeausweis – so geht’s


1. Wer kann Spender werden?

Du darfst der Spende ab dem 16. Lebensjahr zustimmen, schon ab dem 14. dieser widersprechen. Für die Organspende gibt es keine Altersbegrenzung. Es kommt lediglich auf den gesundheitlichen Zustand der potenziellen Spenderorgane an. Die Spende ist nur unter bestimmten rechtlichen und medizinischen Voraussetzungen möglich.

Eine Organspende ist dann möglich, wenn der Wille zur Spende festgestellt werden kann und der Hirntod (Ausfall der gesamten Hirnfunktion) eingetreten ist.

Dieser muss von mindestens zwei unabhängigen Ärzten bestätigt worden sein. Entnahme, Vermittlung und Transplantation sind voneinander getrennt. Ein komplexes Verfahren der Feststellung gewährleistet, dass der Hirntod nicht leichtfertig diagnostiziert wird. Das Herz-Kreislauf-System des Spenders wird dabei künstlich am Leben erhalten. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation organisiert den Prozess von der Feststellung bis zur Vermittlung an Krankenhäuser.


2. Woher bekomme ich einen Organspendeausweis?

Du kannst den Organspendeausweis ganz einfach bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung oder der Deutschen Stiftung Organtransplantation anfordern und dir zuschicken lassen oder selbst ausdrucken. Außerdem ist er in vielen Apotheken, Krankenhäusern und Arztpraxen erhältlich.


3. Was kann ich im Organspendeausweis festlegen?

  1. Ob du Organspender sein möchtest oder nicht.
  2. Welche Organe du spenden möchtest und welche nicht. (z.B. Uneingeschränkte Spende)
  3. Welche Person im Fall der Fälle über deine Organspende entscheiden soll.
  4. Es ist auch Platz, um auf Besonderheiten schriftlich hinzuweisen.

Nicht bestimmen kannst du, wer im Fall der Fälle deine Organe bekommt.


4. Musst du dich untersuchen lassen?

Eine ärztliche Untersuchung ist im Vorfeld nicht notwendig, wenn du dich als Spender bereit erklärst.


5. Muss ich den Ausweis immer bei mir tragen?

Nein. Allerdings ist es sinnvoll. Denn: die Spende ohne schriftlichen Nachweis nicht durchgeführt, auch wenn du dich dafür entschieden hast, Organe im Ernstfall spenden zu wollen.

Endlich verständlich: Aktuelle Entwicklungen der deutschen Gesundheitspolitik 2020

Erst seit 2018 nimmt die Bereitschaft, Organe zu spenden, in Deutschland wieder zu. Ein Grund dafür ist wohl unter anderem die anhaltende Diskussion über dieses unangenehme, aber wichtige Thema. Nur wer sich mit dem Organ- und Gewebespenden auseinandersetzt, alle Fakten kennt und das Für und Wider abwägt, kann eine fundierte Entscheidung treffen. Und ganz gleich, wie diese bei dir ausfällt: Sie ist in jedem Fall eine große Hilfe für die Hinterbliebenen, wenn dir etwas zustoßen sollte.

Du willst mehr über das deutsche Gesundheitswesen wissen? Auf unserem Blog informieren wir dich regelmäßig über aktuelle Entwicklungen: Du erfährst zum Beispiel, welche neuen Gesetze und Regelungen erlassen wurden, wie der Stand der Dinge bei der Telemedizin ist und worum es im Streit um die Bürgerversicherung geht.

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Marie-Theres Rüttiger
HIER SCHREIBT Marie-Theres Rüttiger

Marie-Theres ist Online Redakteurin bei ottonova. Sie konzipiert den Redaktionsplan, recherchiert und schreibt vor allem über E-Health, InsurTech und digitale Innovation, die das Leben besser machen.

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