„Wir dürfen nicht alles auf den Patienten abwälzen“

Fünf Fragen zu Telemedizin an Dr. Johannes Bittner, Projekt-Manager „Der digitale Patient“. Ein Projekt mit dem die Bertelsmann Stiftung Entwicklungen einordnet und Lösungen für neue Herausforderungen vorschlägt.

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ottonova: Was bedeutet Telemedizin?
Dr. Bittner: In der Bertelsmann Stiftung schauen wir durch die Brille des Patienten und fragen uns: Wie lässt sich digitale Gesundheit so gestalten, dass sie im Dienst des Patienten steht? Die Themen, um die es dabei geht, müssen klar definiert werden. Telemedizin ist dafür ein gutes Beispiel. Hier kann man Digitalisierung für einen Informationsaustausch zwischen Leistungserbringern, also Arzt und Klinik, oder zwischen Leistungserbringern und Patient nutzen. Im Rahmen von Telemedizin spielt Digitalisierung natürlich eine wesentliche Rolle und ist eine wichtige Prozessinnovation.

Welche Rolle spielt der Patient bei der Telemedizin?
Die Einbindung des Patienten ist von enormer Wichtigkeit, genauso wie die Einbindung von medizinischem Fachpersonal. Wir sollten nicht den Fehler machen, die direkt betroffenen Akteure aus der Entwicklung auszuschließen. In unserer internationalen Studie #SmartHealthSystems haben wir untersucht, wie andere Länder das Thema umsetzen. Dänemark ist ein gutes Beispiel: Das Land legt bei der Konzipierung und Einführung digitaler Gesundheitslösungen viel Wert darauf, die Endnutzer von Beginn an zu beteiligen und herauszufinden, was Patienten, Ärzte und weitere Akteure eigentlich brauchen. Die Patienten haben sich dort zum Beispiel den Zugang zu guten Gesundheitsinformationen gewünscht. Deshalb hat Dänemark eine Infrastruktur rund um dieses Thema gestartet und darauf weitere Services aufgebaut.

„Dänemark legt bei digitalen Gesundheitslösungen viel Wert darauf, die Endnutzer von Beginn an zu beteiligen und herauszufinden, was Patienten, Ärzte und weitere Akteure eigentlich brauchen.“

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Wie kann es uns gelingen, den Patienten einzubinden?
Ein wichtiger Punkt ist Gesundheits- und Digitalkompetenz. Es wird häufig gefordert, den Patienten digital mündig zu machen. Aber bedeutet das, den Patienten zu befähigen, ein kompliziertes System zu nutzen, oder müssen wir das System so gestalten, dass der Patient es mit seiner vorhandenen Befähigung nutzen kann? Wir müssen sicher beide Wege gehen, sollten dabei aber nicht vergessen, dass wir nicht alles auf den Patienten abwälzen dürfen.

Welches sind die größten Hürden für die flächendeckende Telemedizin?
Ein zentrales Problem in der Vergangenheit war, dass Telemedizin-Innovationen oft nicht über den Pilotstatus hinausgekommen sind. Es ist eine Herausforderung, telemedizinische Lösungen, die in der Regel regional erprobt werden, in die Breite zu bringen. Als zentrale Barrieren für die Überführung einer Lösung in die Regelversorgung lassen sich ein oft fehlender Evidenznachweis beziehungsweise ein schlechtes Evaluationsdesign nennen.

Und wo sind die größten Hebel, um diese Hürde zu nehmen? An wem hängt das?
Wir haben im Rahmen einer Studie Erfahrungen von Pionieren der Telemedizin analysiert und Erfolgsfaktoren abgeleitet. Diese 15 Hypothesen umfassen beispielsweise den richtigen Zeitpunkt für eine Lösung, ein praktikables Konzept zur Qualitätssicherung, das Einfügen in existierende Systematiken zur Vergütung und die Attraktivität für Patienten.

Sabrina Quente
HIER SCHREIBT Sabrina Quente

Sabrina ist freie Autorin für Versicherungs- und Digitalisierungsthemen. Sie war Redakteurin bei Fachzeitschriften und lernte als Content Editor bei ottonova die vielen Facetten der Versicherungswelt kennen.

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