Lernen im Schlaf – kann das wirklich funktionieren?

Er macht uns schlanker, stressresistenter und gesünder – Schlaf ist ein echtes Wundermittel. Aber wusstest du, dass du im Schlaf auch schlauer wirst? Wir klären, was dran ist am Mythos „Lernen im Schlaf“ und wie du die Power deines schlafenden Gehirns gezielt für dich nutzen kannst.

Mal eben eine Kampfsportart lernen? Im Kultfilm Matrix kein Problem. Der Protagonist Neo lädt sich die neuen Techniken direkt vom Supercomputer in sein Gehirn. Wie praktisch! Für uns Normalos ist das Lernen eine viel mühsamere Angelegenheit. Man sagt, 10.000 Stunden Übung machen einen Meister. Ganz ehrlich, wer hat schon die Zeit dafür?

Auch geringere Ambitionen erleichtern die Sache nicht: Für dein Urlaubsfranzösisch musst du zumindest einige Wochen in einen Onlinesprachkurs investieren. Und selbst dann schlägt das Vergessen der neuen Vokabeln schneller wieder zu, als du au revoir sagen kannst. Denn dein Gehirn funktioniert nach dem Grundsatz: Use it or loose it.

Obwohl wir in der Lage sind, hyperintelligente Maschinen zu bauen, ist menschliches Lernen immer noch umständlich, langsam und irgendwie old school. Gibt es denn keine effizientere Möglichkeit, sich neue Informationen anzueignen? Die Werbung sagt: ja. Besonders im Internet geistern dubiose Produkte herum, die eine – buchstäblich traumhafte – Methode propagieren: Lernen im Schlaf.

Der anstehende Businesstermin ist in Tokio? In der Nacht vorher einfach den Grundkurs Japanisch ablaufen lassen und neue Vokabeln quasi im Schlaf aufsaugen. Und statt den lästigen Tanzkurs zu absolvieren, übst du den Wiener Walzer im Traum. Klingt verlockend, aber ist das realistisch? Wir haben uns den aktuellen Stand der Hirnforschung für dich angesehen und sind der Frage auf den Grund gegangen: Kann man im Schlaf lernen?

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Einschlafen leicht gemacht.

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Wie dein Gehirn im Schlaf lernt

Nach dem Schlafen fühlt man sich frisch und erholt. Logisch, dass Wissenschaftler lange Zeit annahmen, Schlaf diene hauptsächlich der Regeneration. Heute wissen wir: In der Nacht passiert noch viel mehr. Die moderne Bildgebung offenbart, dass während des Schlafs ein bestimmtes Muster von elektrischen und neurochemischen Prozessen abläuft. Diese geben dem Körper quasi die Arbeitsanweisungen für die Zeit, in der wir schlafen.

Wachstumshormone werden gebildet, Immunzellen jagen Erreger, der Blutzuckerspiegel balanciert sich aus. Der Körper ist hochaktiv – und das Gehirn? Hängt ganz von der Schlafphase ab. Besonders im Tiefschlaf arbeitet deine kognitive Schaltzentrale auf Hochtouren. Die Wellen des Elektroenzephalogramms (EEG) und andere Verfahren zeigen dann eine starke Hirnaktivität.

Nur was passiert da genau? Die Forscher tappten im Dunkeln, bis sie durch Studien auf eine verblüffende Parallele aufmerksam wurden. Wenn Probanden tagsüber eine neue Erfahrung machten, z. B. ein Stück auf dem Klavier lernten, leuchteten bestimmte Bereiche in ihrem Gehirn auf. Genau dieselben Areale wurden in der Tiefschlafphase wieder aktiv. Die logische Schlussfolgerung: Erst nach einem vollständigen Schlafzyklus ist der Lernprozess wirklich abgeschlossen.

Nachts findet die zweite Lektion statt. Die gesetzten Impulse werden erneut verarbeitet und dadurch vertieft – oft mit einem anderen Ergebnis. So konnten Testpersonen nach einer Mütze Schlaf Zahlenrätsel lösen, an denen sie tags zuvor noch gescheitert waren. Manchmal lösen sich Probleme also tatsächlich im Schlaf!

Lernen und Gedächtnis: ohne schlafen geht nichts

Wie effizient und schnell du neue Informationen lernst, hängt vor allem von deiner Gedächtnisleistung ab. Und diese hängt wiederum entscheidend von der Qualität und Länge deines Schlafs ab. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich der Schlaf unterschiedlich auf das Kurz- und Langzeitgedächtnis auswirkt. 

  • Kurzzeitgedächtnis: Ausreichend Schlaf ist eine grundlegende Voraussetzung für deine Fähigkeit, zu lernen. Neue Inhalte gelangen zunächst in dein Kurzzeitgedächtnis. Bist du ausgeschlafen, funktioniert das besser als nach einer Nachtschicht. Für dein kurzfristiges Gedächtnis ist also die Nacht vor dem Lernen ausschlaggebend.
  • Langzeitgedächtnis: Forscher vermuten, dass das Langzeitgedächtnis zum größten Teil im Schlaf gebildet wird. Sie nennen diesen Vorgang Gedächtniskonsolidierung. Das Erlernte wandert dabei vom Kurz- in das Langzeitgedächtnis, wo es sicher und dauerhaft abgespeichert wird. Willst du dein Gedächtnis pushen, ist besonders der Nachtschlaf in den 24 Stunden nach der Lernerfahrung relevant.

Wie wir lernen – ­deine zwei Festplatten

Über den Tag hinweg machst du viele verschiedene Erfahrungen, die in der Nacht sortiert werden. Unwichtiges wird gelöscht, der Rest bekommt einen Platz zugewiesen. Für dein Gehirn macht es dabei durchaus einen Unterschied, ob du die Geburtstage der römischen Kaiser oder einen Tennisaufschlag gelernt hast. Denn dafür hat es zwei verschiedene „Festplatten“.

Speicher für motorische Abläufe

Besonders gut funktioniert das Prinzip Lernen im Schlaf bei motorischen Fähigkeiten wie Kung Fu, Snowboard fahren oder Gitarre spielen. Bewegungsabläufe wie diese kramt das Gehirn während der REM-Schlafphase hervor und legt sie im prozeduralen Gedächtnis im Kleinhirn ab. Hier stehen komplexe Bewegungen dann am nächsten Tag zum Abruf bereit. Vor allem Sportler und Musiker kennen das Phänomen, dass sie am Tag darauf eine Bewegung viel besser drauf haben als kurz nach dem Üben.

Speicher für Daten und Fakten

Alles, was nicht an eine Bewegung gekoppelt ist, festigt das Gehirn während des Tiefschlafs. Tagsüber fungiert der Hippocampus als Zwischenspeicher für Daten und Fakten. Später werden die gesammelten Inhalte konsolidiert und dauerhaft abgelegt. Bewusste Erinnerungen, Französisch-Vokabeln und der Geburtstag der Schwiegermutter haben ihren Speicherplatz im deklarativen Gedächtnis. Schaut man genauer hin, gibt es dort zwei Unterabteilungen:

  • das semantische Gedächtnis, in dem vor allem Allgemeinwissen abliegt
  • das episodische Gedächtnis, in dem persönliche Erlebnisse positiver und negativer Natur enthalten sind

So sieht Lernen im Schlaf in Zukunft aus

Wir haben gesehen, dass sich das Gedächtnis im Schlaf festigt und bildet. Bleibt die Frage, ob man diesen Prozess auch manipulieren und gezielt für sich nutzen kann. Neueste Studien wie die der Universität Birmingham experimentieren mit der Idee der akustischen Gedächtnisreaktivierung.

Das Studienergebnis

Den Probanden wurden während eines Nickerchens zuvor gelernte Wortkombinationen vorgelesen. Allerdings zunächst ohne messbaren Effekt. Die Überraschung kam am nächsten Morgen: Dieselben Testpersonen durften nachts so viel schlafen, wie sie wollten und wurden dann erneut befragt. Jetzt war ihre Trefferquote um 5 % höher als die der Vergleichsgruppe, der nichts vorgelesen wurde.

Wissenschaftler interessieren sich auch für die neuronale Aktivität im Schlaf. Die Kurve des EEGs zeigt während des Tiefschlafs spezielle Muster, sogenannten Schlafspindeln. Je mehr Spindeln, desto aktiver das Gedächtnis. In Zukunft könnten Smart-Devices diese Hirnaktivität manipulieren, um die Gedächtnisleistung anzuregen.

Die Kombination beider Erkenntnisse könnte so aussehen: Du lernst tagsüber etwas Neues. Eine App registriert in der Nacht darauf deine Tiefschlafphasen und liest dir das gelernte Wissen vor. Währenddessen rufen an deinem Schädel angebrachte Elektroden Schlafspindeln hervor und stimulieren so dein Gedächtnis. Klingt ziemlich praktisch? Effizient schlafen wäre auf diese Weise ein Kinderspiel. Leider ist das im Moment aber noch Zukunftsmusik.

Optimiere deinen Lernerfolg

Du willst den Mechanismus Lernen im Schlaf schon heute gezielt für dich nutzen? Das geht! Lass uns die Erkenntnisse der Hirnforschung noch einmal auf den Punkt bringen. Lernen besteht aus zwei Komponenten:

  1. Üben und Wiederholen des Lernstoffes oder des neuen Bewegungsablaufes bei Tag
  2. Festigen des Wissens durch tiefen und langen Schlaf bei Nacht


Mit wohl dosierten Lerneinheiten, etwas Bewegung, Mittagsschlaf und einem tiefen, qualitativ hochwertigen Nachtschlaf bist du in Prüfungs- und Projektphasen also bestens aufgestellt.

Teste doch einmal unseren Tageslernplan, der das unterbewusste Lernen in der Tief- und REM-Schafphase intensiviert:

  • 9:00 Uhr: Kurze Einheit Morgensport

  • 10:00-12:00 Uhr: Lernen

  • 12:30 Uhr: Mittagessen, im Anschluss 10-20 Minuten Powernapping

  • 14:00-16:30 Uhr: Sport und/oder Erholung

  • 17:30 Uhr: Das Erlernte 15 Minuten lang wiederholen

  • ab 21:30 Uhr (sobald du müde wirst): Guter und reichlicher Nachtschlaf

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Effizient schlafen – also ausruhen während das Gehirn lernt – ist tatsächlich möglich. Wie effizient du nachts lernst, hängt aber von der Qualität deines Schlafs und davon ab, wie gut du einschlafen kannst. Mit unseren Einschlaftipps bist du in Nullkommanix in deinem nächtlichen Lernstudio.

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