Kritik am EU-Bio-Siegel
Wer vergibt eigentlich das Bio-Siegel? Auf europäischer Ebene ist die Europäische Union zuständig, bei deutschen Produkten das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung. Gekennzeichnet werden unter anderem Fleisch, Käse, Milch, Gemüse, Eier, Salat, Obst, Getreideprodukte und Gewürze. Das deutsche sechseckige Bio-Siegel ziert inzwischen über 77.000 Produkte, die von über 4.000 Erzeugern hergestellt werden. Das EU-Bio-Siegel findet sich europaweit sogar auf mehreren hunderttausend Waren. Das klingt nach einer ganzen Menge, dennoch macht der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche in Deutschland gerade mal knapp 10% aus. EU-weit sind es sogar nur knapp 7%. Doch nicht nur der geringe Ausbau der Öko-Landwirtschaft sorgt für Kritik, auch das EU-Bio-Siegel selbst hat nicht nur Fans.
Insbesondere die undurchsichtigen Kontrollen der Bio-Betriebe werden von Fachleuten immer wieder bemängelt. Oliver Huizinga, Experte für Lebensmittelkennzeichnung bei Foodwatch, gibt zu bedenken: „Der Produzent vor Ort kann sich aussuchen, welche Öko-Kontrollstelle oder wer genau ihn kontrolliert.
Der Unterschied im Preis von konventionellen Produkten und ökologischen Produkten ist sehr groß und deswegen ist es attraktiv für Betrüger, in diesem Segment Sachen unterzujubeln, die eigentlich gar keine Bio-Produkte sind.“ Das bedeutet konkret: Die laxen Kontrollmechanismen ermöglichen Etikettenschwindel. „Es gibt einen Interessenskonflikt, dass man einerseits seine Arbeit gut machen soll, andererseits aber von den Kunden finanziell abhängig ist. Da ist man ganz oft dem Druck ausgesetzt: Wenn ihr uns das Zertifikat nicht gebt, dann gehen wir zur Konkurrenz“, berichtet ein Insider dem ARD-Magazin „Vorsicht Verbraucherfalle“.
Eigene Siegel bei Bioland, Naturland und Demeter
Dennoch stuft die nichtstaatliche Umwelt- und Naturschutzorganisation BUND das staatliche Bio-Siegel als „im Wesentlichen vertrauenswürdig“ ein. Wem der Umweltschutz und das Tierwohl am Herzen liegen, der ist mit derart gekennzeichneten Lebensmitteln schon mal ganz gut beraten. Es geht aber noch besser. Verschiedene Anbauverbände wie Demeter, Bioland und Naturland haben sich selbst freiwillig strengere Richtlinien auferlegt.
Diese gehen weit über die Mindestkriterien hinaus, die das EU-Bio-Siegel vorschreibt. Ein Beispiel: Während ein „normaler“ Bio-Bauer 20.000 Hühner pro Gebäude halten darf, sind es bei Naturland 12.000, bei Bioland 6.000 und bei Demeter nur 3.000. Und auch bei der Enthornung von Rindern gibt es Unterschiede: Laut EG-Öko-Verordnung ist diese Prozedur erlaubt, bei Naturland, Bioland und Demeter aber verboten bzw. nur im Ausnahmefall gestattet. Über diese besonders tierfreundlichen Haltungsbedingungen, die über die Anforderungen der EU hinausgehen, informieren die verschiedenen Logos der Verbände. Es gibt also jeweils ein eigenes Naturland-, Bioland- und Demeter-Siegel. Gewusst? Auch die Richtlinien des Interessenverbands GÄA e.V. und des Anbauverbands Biopark übertreffen die EU-Bio-Mindeststandards, was auf der Verpackung durch spezielle Logos gekennzeichnet wird.
Vorsicht vor irreführenden Beschreibungen
Es gibt also verschiedene Bio-Siegel, die unser Vertrauen verdient haben. Anders sieht es mit nicht geschützten Bezeichnungen wie „aus kontrolliertem Anbau“ oder „aus naturnahem Anbau“ aus. Diese Formulierungen darf jeder auf seine Verpackung drucken. Sie sagen nichts über die Art der Erzeugung aus: Was bedeutet in diesem Zusammenhang „naturnah“? Und wer kontrolliert hier wen? All das bleibt bei solch irreführenden Beschreibungen im Dunkeln. Auch die Floskel „aus regionalem Anbau“ ist kritisch zu sehen, denn wo soll diese „Region“ sein? In deinem Nachbarort? In deinem Bundesland? Oder irgendwo in Deutschland? Wenn du beim Einkauf sichergehen möchtest, Lebensmittel aus nachhaltiger Landwirtschaft zu erwischen, halte die Augen nach dem deutschen bzw. dem EU-Bio-Siegel offen. Etwas teurer, aber unter noch besseren Bedingungen erzeugt, sind meist die Waren der Anbauverbände Naturland, Bioland und Demeter, die du an ihren individuellen Logos erkennst. Jetzt bist du bestens gewappnet für den nächsten Einkauf und weißt sofort, wo wirklich „bio“ drin ist.