Telematikinfrastruktur: Gesundheit wird digital!

Die Schweiz und Dänemark haben es vorgemacht: Dank einer digitalen Infrastruktur stehen Ärzten per Klick alle medizinischen Informationen über ihre Patienten bereit. Deutschland zieht nach und macht Dampf. Welche Änderungen bringt die Telematikinfrastruktur?

Telematikinfrastruktur

Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen: Was ist das eigentlich?

Unter „Telematikinfrastruktur“ versteht man die digitale Vernetzung verschiedener Leistungserbringer im Gesundheitswesen. Ärzte, Psychotherapeuten, Apotheken, Krankenkassen und andere sollen Befunde ihrer Patienten per Klick einsehen können. Das macht Sinn. Denn dann verschwinden wichtige medizinische Informationen nicht im Aktenschrank, sondern sind für alle zugänglich, die sie brauchen.

Natürlich ist es nicht ganz trivial, diese Infrastruktur zu schaffen und das weit verzweigte Gesundheitssystem zu vernetzen. Deshalb haben die Spitzenorganisationen des deutschen Gesundheitswesens bereits 2005 die gematik gegründet. Wer steckt genau dahinter und wie funktioniert das Telematik-System, das die gematik entwickelt hat?

Wer ist die treibende Kraft hinter der gematik?

Die gematik ist ein Unternehmen, die Gesellschafter sind allerdings ausschließlich etablierte Institutionen des Gesundheitswesens. Das Bundesministerium für Gesundheit hält 51 % der Anteile, was der Gesetzgeber so beschlossen hat. Weitere Anteile haben zum Beispiel die Bundesärztekammer, der Deutsche Apothekerverband und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen. Seit April 2020 gibt es einen weiteren Gesellschafter: den Verband der Privaten Krankenversicherung. Wie kam das zustande?

Warum ist die PKV vor Kurzem in die gematik zurückgekehrt?

Zu Beginn der Corona-Krise hat der GKV-Spitzenverband dem Verband der Privaten Krankenversicherung 2,45 Prozent seiner Anteile übertragen. Denn die digitale Infrastruktur der gematik soll sowohl für gesetzlich Versicherte als auch für Privatversicherte offen sein. So haben alle Leistungserbringer des Gesundheitswesens und alle Patienten Anteil an derselben Infrastruktur. 

Der PKV-Verband war bereits nach der Gründung der gematik Gesellschafter, hat sich dann jedoch zurückgezogen. Er bemängelte fehlende Sicherheit und fürchtete um die Daten der Mitglieder. Doch mittlerweile wird immer deutlicher, dass die Digitalisierung enorm wichtig ist und weiter vorangetrieben werden muss. Und so ziehen alle Institutionen nun wieder an einem Strang.

Sichere Datenflüsse: Was ist ein TI-Konnektor?

Um die digitale Infrastruktur nutzen zu können, brauchen Praxen eine bestimmte technische Ausstattung. Dazu gehört zum Beispiel der TI-Konnektor. Er ist mit einem DSL-Router vergleichbar, jedoch viel sicherer, denn er stellt ein virtuelles privates Netzwerk her (VPN). Dank Verschlüsselungstechnologie fließen die Daten hier jenseits des für jedermann zugänglichen Internets. Noch dieses Jahr soll der TI-Konnektor um den E-Health-Konnektor erweitert werden. Die Anwendung wird rechtsgültige Unterschriften ermöglichen.

Telematikinfrastruktur Grafik

Daten müssen aktuell sein: Was ist VSDM?

Sind die Praxen erst einmal über den Konnektor angeschlossen, können sie die Patientendaten einspeisen. Das geht nur im Rahmen eines gut funktionierenden Versichertenstammdatenmanagements (VSDM). Schließlich müssen die Daten der elektronischen Gesundheitskarte immer aktuell sein. Dein Arzt gleicht deine Daten immer dann ab, wenn du das erste Mal pro Quartal in der Praxis erscheinst.

Update Januar 2021:

Bis 2025 will die gematik ihre gerade die Telematikinfrastruktur generalüberholen. Die Konnektoren sollen durch ein Plattform-Modell abgelöst werden, dass von überall aus erreichbar sein soll. Die Kartenterminals, die im Moment notwenig sind, um sich einzuloggen, sollen abgeschafft werden. „Die Plattform und die durch Drittanbieter bereitgestellten Dienste bilden die eigentliche TI 2.0", schreibt die Gesellschaft in einem Whitepaper.

Warum der Ausbau der digitalen Infrastruktur so wichtig ist

Wer am Ende von den ganzen Bemühungen rund um E-Health profitieren soll, ist der Patient. Denn wenn anhand der elektronischen Patientenakte alle Informationen sofort einsehbar sind, soll eine bessere Versorgung möglich sein. Was ändert sich in der Praxis für dich?

Ein Beispiel:
Stell dir vor, deine Freundin ist schwanger. Das Kind kommt früher als geplant und du bringst sie in rasendem Tempo in die Klinik. Jetzt muss alles schnell gehen. Dabei fällt vielleicht eine wichtige Information unter den Tisch: Deine Freundin muss aufgrund einer genetischen Veranlagung bestimmte Medikamente einnehmen, die für Komplikationen bei der Geburt sorgen können. Dank der elektronischen Patientenakte hat der Arzt auch im Notfall alle Informationen parat, die er braucht, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Besonders für chronisch Kranke und Ältere relevant:
Ab drei Medikamenten haben Patienten Anspruch auf einen schriftlichen Medikationsplan, der auch digital einsehbar sein wird. Das ist von Vorteil, denn viele Medikamente haben Wechselwirkungen. Ältere haben auch oft eine längere Krankengeschichte. Sie profitieren davon, wenn Ärzte Untersuchungen nicht wiederholen müssen, sondern auf bereits erhobene Daten zugreifen können.


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Was die digitale Patientenakte kann

Ab 2021 kannst du als GKV-Versicherter die elektronische Patientenakte nutzen, für PKV-Patienten soll sie ab 2022 nutzbar sein. Die Deadline ist im Terminservice- und Versorgungsgesetz geregelt. Du kannst selbst bestimmen, ob und welche du Daten speichern lassen möchtest, und per Smartphone alle Daten einsehen.

Diese Daten werden gespeichert:

Der jetzige Stand der digitalen Patiententakte entspricht allerdings noch nicht den Convenience-Standards, den sich unsere Kunden wünschen, da Versicherte eine weitere App downloaden müssen, um die E-Patientenakte nutzen zu können. In der ottonova App hast du aber schon heute die Möglichkeit, deine Timeline einzusehen und wichtige medizinische Daten zu speichern.

Kritik an der Telematikinfrastruktur: Sicherheitslecks?

Vielleicht hast du es verfolgt: Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte verläuft bisher recht zäh. Sie sollte bereits 2006 verfügbar sein, kam allerdings erst seit 2011 schrittweise auf den Markt. Mittlerweile hat sie jeder, es war jedoch eine schwere Geburt. Das mag viele Gründe haben: Das Projekt ist komplex, es gibt viele Mitentscheider und manche sprechen auch von fehlender Begeisterung seitens der Leistungserbringer. Darüber hinaus waren auch die hohen Sicherheitsanforderungen ein Problem.


Erst Ende 2019 wurden wieder Sicherheitslücken bekannt

Der Chaos Computer Club entdeckte Datenlecks bei den Chipkarten, mit denen sich Ärzte Zugang zum verschlüsselten Netzwerk verschafften. Der Club hätte sogar Mittel und Wege gefunden, TI-Konnektoren zu bestellen und sich dadurch ins Netzwerk einzuklinken. Damit wäre es in Zukunft möglich, sich beliebige Patientenakten anzusehen. 
Die gematik ist also weiterhin gefordert, die Telematikinfrastruktur noch sicherer zu machen.
Um das zu bewerkstelligen, gibt es einige Ansätze.

Zum Beispiel:

Ob zukünftig weitere Maßnahmen ergänzt werden sollten, wird sich zeigen.

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Jeannette Stowasser
HIER SCHREIBT Jeannette Stowasser

Jeannette ist Online-Redakteurin für Gesundheit und schreibt seit 2011 Artikel, E-Books und Whitepaper zu den verschiedensten medizinischen Themen.

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