„Der Mensch muss sich aktiv an Gesundheit beteiligen“

5 Fragen zu E-Health und Telemedizin an Bernhard Calmer, Director Business Development Central Europe bei Cerner Health Services Deutschland.

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ottonovaWie ist Telemedizin zu definieren?

Bernhard Calmer: Telemedizin bezeichnet die Diagnostik und Therapie eines Patienten bei räumlicher Trennung zwischen Patienten und Arzt. Dies kann zum Beispiel durch einen Arzt-Video-Call geschehen. In der Schweiz gibt es Apotheken, in denen Kunden in einem abgetrennten Bereich per Videokamera mit einem Arzt mittels Videoübertragung kommunizieren und vor Ort verschiedene Körperwerte messen lassen können. Als Ergebnis erhalten sie dann ein verschreibungspflichtiges Medikament, das sie gleich in der Apotheke mitnehmen können. Dann sprechen wir von Telemonitoring.

Was bedeutet Telemonitoring?

Patienten werden dazu mit Geräten zur Messung von Vitaldaten ausgestattet, zum Beispiel Gewicht, Blutdruck, Herzfrequenz. Diese Geräte sind in der Lage, diese Daten direkt zu einem medizinischen Betreuer zu übertragen. Dies ist besonders spannend, da dies oft in vertrauter Umgebung geschieht. Für die Patientenzufriedenheit ist das der viel größere Hebel als Telemedizin.

Wie gestaltet sich die derzeitige Entwicklung von Telemedizin im Ausland?

Es gibt Länder, die in ihrer Versorgungsstruktur viel größere Probleme haben als wir. Das kann dem geringen Sozialprodukt oder großen räumlichen Distanzen zwischen Arzt und Patient geschuldet sein. Solche Regionen haben einen viel größeren Druck, die telemedizinische Versorgung näher zu den Patienten zu bringen.

Welche Hürden müssen wir hierzulande auf dem Weg zum digitalen Gesundheitswesen noch nehmen?

Was die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens bremst, ist die sektorale Trennung sowohl bei den Berufssparten als auch den Abrechnungslogiken. In vielen Ländern, vor allem im nördlichen Europa, hat sich aufgrund der regionalen und strukturellen Besonderheiten das Gesundheitswesen deutlich digitaler entwickelt. Es gibt dort Ausbildungsberufe, die auf die Erstversorgung abzielen und von Beginn an mit digitaler Unterstützung arbeiten. Deutschland tut sich noch schwer damit, die sektoralen Grenzen und ihre individuellen Anreizsysteme zu überwinden. Es wird nicht funktionieren, diese Sektoren von heute auf morgen abzuschaffen, aber wir müssen beginnen, es zu ändern.

Was ist die Alternative?

Wir müssen zwei Paradigmen ändern. Der Mensch muss lernen, dass es erstrebenswert ist, gesund zu sein. Er muss mehr Verantwortung übernehmen und sich aktiv am Gesunderhaltungs- und am Genesungsprozess beteiligen. Und es muss zwischen den Sektoren abgestimmte Anreizsysteme geben, Menschen gesund zu erhalten und nicht wie bisher für die Wiederherstellung der Gesundheit bezahlt zu werden. Das ist eine politische Aufgabe. Wenn wir das hinbekommen, ist mir nicht bange.

Vielen Dank für das Gespräch!

Sabrina Quente
HIER SCHREIBT Sabrina Quente

Sabrina ist freie Autorin für Versicherungs- und Digitalisierungsthemen. Sie war Redakteurin bei Fachzeitschriften und lernte als Content Editor bei ottonova die vielen Facetten der Versicherungswelt kennen.

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